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1. Deutsche Geschichte im Mittelalter - S. 67

1909 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
Deuischland im dreizehnten Jahrhundert. 67 Handwerker waren freie Leute, nicht wie die Bauern Hörige; war die Stadt in Gefahr, so wurden sie auch zur Verteidigung aufgeboten und wußten die Waffen zu führen. Sie schlossen sich zu Genossenschaften zusammen, die man Zünfte oder Innungen nannte; die Zünfte hatten ihre besonderen Bräuche und banden ihre Mitglieder an bestimmte Ordnungen. Keiner durfte Waren herstellen und verkaufen, der nicht zu einer Zunft gehörte. Keiner konnte Meister werden, wenn ihn nicht die Zunft dazu machte; dazu war erforderlich, daß er als Geselle gearbeitet hatte und gewandert war, und daß er ein Meisterstück angefertigt hatte. Von der Zunft oder vom Rate der Stadt wurden auch die Preise der Waren festgestellt; und bestimmte Meister hatten den Auftrag, in den Werkstätten nachzusehen, ob überall die Ordnungen beobachtet und gute Ware hergestellt würde. In dieser Art erblühte damals das deutsche Handwerk; und vieles von dem, was in deutschen Städten gearbeitet war, wurde von den Kaufleuten ins Ausland, besonders nach Nordeuropa, ausgeführt und dort verkauft. Denn jetzt war auch der deutsche Handel emporgeblüht. Die Handel. Straßen, für deren Ausbau freilich meist wenig Sorge getragen wurde, und die noch dazu oft Wegelagerer unsicher machten, wurden belebt durch die Wagen der Kaufleute. Der Rhein, die Donau, die Elbe und die anderen großen Ströme wurden von Schiffen befahren, und der Hafen mancher Stadt war gefüllt mit bewimpelten Fahrzeugen. Aber die deutschen Schiffer hatten sich auch längst auf die hohe See hinausgewagt; Nord- und Ostsee waren damals deutsche Meere, wo man kaum andere als deutsche Flaggen sah. Der Handel war anderer Art als heute; wer Kauffahrtei trieb, der mußte selbst hinaus in die Fremde, mußte die Waffen führen können, mußte mancher Gefahr gewärtig sein, die ihm Sturm und Schiffbruch, Überfall von Seeräubern, rechtlose Behandlung durch fremde Fürsten und Volksstämme bringen konnten; dafür harrte seiner auch oft, wenn ihm alles gut gelang, ein außerordentlich hoher Gewinn. An den Küsten Skandinaviens und des heutigen Rußlands landeten die deutschen Kaufleute und gründeten dort Handelsniederlassungen; da verkauften sie deutsche Waren, Tuch und Leinwand, Metallgeräte, Lederwaren, Spezereien, Bier und Wein, während sie Landeserzeugnisse, Getreide, Holz, Häute, Pelze, Honig und Wachs, einkauften. Ein besonders wichtiger Handelsgegenstand war der Hering, dessen Fang in jener Zeit allein von deutschen Kaufleuten betrieben wurde, und derjals Fastenspeise sehr beliebt war und weithin versandt wurde. Aber auch nach Süden ging der deutsche Handel. Durch die Kreuzzüge war ein lebhafter Verkehr mit dem Morgenland, der Levante, entstanden, der fast allein in der Hand italienischer Städte, vor allem Venedigs und 5*

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 48

1911 - Erfurt : Keyser
— 48 — Kreuzzuge ereilte ihn der Tod zu Otranto in Unteritalien (s. Die Sage von der Gleichenschen Doppelehe, Nr. 19 und die Gleichenbilder im Rathaus). An die wundersame Zeit der Kreuzzüge erinnert auch das Bild im Rathausfestsaal, auf dem neben der heiligen Elisabeth und dem heiligen Martin der Kinderkrenzzug zur Darstellung gebracht ist (s. Der Kindertanz, Nr. 20). Der nach Hermanns Ii. und Heinrich Raspes Tode (1247), die beide ohne leibliche Erben starben, ausbrechende thüringische Erbfolgekrieg entfesselte abermals die Leidenschaften des Krieges. Er wurde nach fast 20jähriger Dauer (1263) durch einen Vergleich geschlossen. Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen, ein Enkel Hermanns I., erhielt Thüringen, und Heinrich das Kind, Ludwigs Iv. Enkel, bekam Hessen. Bald darauf teilte der Markgraf seinen Besitz unter sich und seine Söhne. Bei dieser Teilung kam Thüringen an Albrecht den Entarteten. Er trägt diesen Beinamen wegen seines nachmaligen üblen Verhaltens gegen seinen Vater und seine Familie. Zu Albrecht hat Erfurt in engster Beziehung gestanden, wobei der Vorteil auf beiden Seiten war. Der Rat bedurfte für seine Söldner und Bürger die Erlaubnis, die in der Zeit des Interregnums so zahlreichen Stadtfeinde auf landgräfliches Gebiet verfolgen zu können. Der Landgraf aber fand Wohlgefallen an den Erfurter Münzen, die ihm nach Tausenden zur Befriedigung seiner Verschwendungssucht vorgestreckt wurden. Auch manches Stück des landgräflichen Gebietes ging für Geld in den Besitz der Stadt über. Zuletzt mußte Erfurt dem vollständig verarmten Landgrafen noch eine Freistatt bis zu seinem Tode gewähren (im Turnier; gest. 1307). In dieser Zeit kam König Rudolf von Habsburg nach Thüringen. Er ritt am 14. Dezember 1289 unter dem Jubel Der Bevölkerung in Erfurt ein. Fast ein Jahr weilte er hier und hielt einen Reichstag ab. Mit Eifer unterzog er sich der Aufgabe, Ruhe und Frieden im Lande zu schaffen. 66 Raubnester sollen damals mit Hilfe der Bürger zerstört und 29 Friedensbrecher durch Schwert und Strick hingerichtet worden sein (s. Rudolf von Habsburg in Erfurt, Nr. 22 u. Bild im Rathausfaal). Im Gedenken an jene Zeit verlegten die hammerführenden Handwerker eins ihrer Jnnnngsfeste, den „Grünen Montag", im vorigen Jahrhundert nach dem Steiger und brachten es in Verbindung mit der Zerstörung der Dienstburg unter König Rudolf.1) Am ’) Am „Grünen Montag", Montag nach Jakobi, wurden in früheren Jahrhunderten die Obermeister der Innungen gewählt. Ihre Wahl bedurfte der Bestätigung durch den Amtmann des Erzbischofs. Es wurde dafür eine Abgabe entrichtet, doch erhielten die Handwerker zur Ausschmückung ihrer Zunfthäuser etliche „Pürten Mayen". Eine Dienstburg hat es im Steiger niemals gegeben.

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 85

1911 - Erfurt : Keyser
— 85 - besaß. Nachdem er geschickt die Gemüter ausgereizt und die Gemeinde bereit gefunden hatte, sich der verhaßten Allerwellsgläubiger durch einen vernichtenden Schlag zu entledigen, suchte er auch den Rat für seine Absicht zu gewinnen. Anfangs scheint sich dieser aber gegen das Ansinnen gesträubt zu haben, da die Juden dem Erzbischof, der nicht unbedeutende Abgaben von ihnen erhob, gehörten. Später jedoch beschloß der Rat, ein Auge zuzudrücken und den Ausruhr erst dann zu dämpsen, wenn sein Zweck erreicht wäre. In den ersten Morgenstunden des 21. März 1349 versammelten sich die Mitglieder verschiedener Zünfte, namentlich der Löber (Lohgerber), Weißgerber, Ziechener und Fleischer, und andere Bürger an den vorherbestimmten Sammelplätzen bei der Allerbeiligenkirche, auf dem Fischmarkt, an der Lohbank und anderwärts. Auf das Zeichen des Anführers drangen sie dann mit Waffen aller Art in die Judenhäuser ein und fchlngen gleich im ersten Anlauf an Hundert der unglücklichen Bewohner nieder. Jetzt erst ermannten sich die übrigen Juden, verschlossen ihre Häuser und verteidigten sich, so lange sie konnten. Als alles verloren war, steckten einzelne der Unglücklichen ihre Häuser an und suchten mit den Ihren den Tod in den Flammen. Der Uebersall mag 4—500 Opser gefordert haben, die am dritten Tage aus den Trümmern ausgegraben und wagenweife nach dem Judengrab vor dem Moritztor geschafft wurden. — Der Rat rührte sich nicht eher, als bis alles fast vorüber war. Doch ließ er einige Plünderer ergreifen und nach dem Rathause bringen, wo ein Verhör angestellt wurde. Auf Grund der Untersuchung wurden drei der Eingezogenen hingerichtet. Außerdem mußten mehrere angesehene Bürger die Stadt auf kürzere oder längere Zeit räumen. Trotz der schweren Heimsuchung waren die Juden nicht vertilgt. Viele hatten sich versteckt, andere waren aufs Land geflüchtet. Schon 1351 war eine neue Gemeinde beisammen, die über 100 Jahre bestand. 1458 wurde sie aus demselben Grunde, aus welchem das große Judenschlagen ausgeführt worden war, vertrieben, nachdem der Rat an den Erzbischos 7000 Gulden bezahlt hatte, damit er auf seine Rechte und Ansprüche an die Judenschaft verzichte. (Nach Prof. Dr. Carl Beyer.) 28. Aufenthalt Karls Iv. in Erfurt. (Sage.) Bevor der Kaiser von Erfurt aufbrach, wünschte die Kaiserin Anna, die mit im Lager war, die große und gedächtniswürdige Stadt Erfurt zu besichtigen. So zog denn das kaiserliche Paar mit ansehnlichem Gefolge ein und wurde von den Erfurtern freudig begrüßt. Wie wunderten sich aber die hohen Gäste, daß die Volk-

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 98

1911 - Erfurt : Keyser
— 98 — Karren, und mit lauter Stimme priesen die Händler ihre Ware an. — Mit großer Würde und Kennerblicken stolzierten die Waidhändler von Karre zu Karre und feilschten um die Waidballen. War endlich ein Verkauf zum Abschluß gekommen, dann ging's zum städtischen Kaufhaus in der Michaelisstraße, allwo in Gegenwart des Käufers der Waid gemessen und das Waidgeld, für jedes Waidmaß einen Groschen, entrichtet wurde. An der Wechselbank und bei den Gewandschneidern: Aber auch sonst herrschte in der Stadt reges Leben. Die vielen Fremden, die zum Waidmarkt gekommen waren, da sie hier Ballenwaid kaufen durften^ und die Bauern, die ein gutes Geschäft gemacht hatten, suchten zugleich die anderen Erfurter Straßen und Plätze auf, auf denen ständig Markt abgehalten wurde. Besonders auf dem Mönchsmarkte (Weniger Markt)1) schoben sich die Einheimischen und Fremden zwischen den Gaden und Bänken hindurch. Hier waren zumeist die Münzer umlagert, die am Ausgange des Marktes nach der Futterergasse hin ihre Bänke ausgestellt hatten. Der Waidhändler, der Kaufmann, der Handwerker und der Bauer — alle brauchten heute mehr als sonst gutes Geld, und so wechselten die Münzer denn ohne Unterlaß Pfennige alter Prägung ein, um aus ihren unerschöpflichen Beuteln Münzen neuer Prägung dafür zu geben (vor 1354).2) Sie kauften die kleinen Gold- und Silberbarren, die von den Kaufleuten auf die Wechselbank gelegt wurden, damit sie den Gegenwert in ersurtischem Gelde bekämen. Die Pfennige hatten vollen Wert nur für ein Jahr und mußten dann gegen solche neuer Prägung eingewechselt werden. Der Münzmeister sah scharf zu und prüfte die Beutel, ob sie nicht etwa falfchlötige Pfennige enthielten, fanden sich auch nur zwölf im Besitze des Münzers, dann gings ihm an Leib und Leben und keine Macht der Welt konnte ihn retten. Außerdem hatten die Gewandschneider-Gaden den meisten Zuspruch; nur hier durste Tuch vom Stück geschnitten und verkauft werden. An ihnen versorgten sich alle Stände, der Fürst und Graf nicht weniger als der Bauer, mit dem Gewandstoff, der ihnen taugte, und die Auswahl war überraschend groß. Der Gaden lief vom Ilgen- oder Aegidientor nach der Sülze hinüber, in deren Nähe die Kürschner ihre Pelzröcke und sonstigen Rauchwaren verkauften. Fröhliches Leben und Treiben: Auf dem Platze vor den Graden (heute Friedrich Wilhelmsplatz) hatten sich die Gaukler und Quacksalber eingefunden. Sie hatten dem Marktmeister gezollt und zeigten nun ihre Künste und priesen ihre Salben und Wnnder- !) Andere Deutungen: Wendischer Markt (s. S. 2) u. Forum parvum = Kleiner Markt, an Größe geringer oder weniger als die anderen Marktplatze. 2) Der Rat, der seit 1354 Besitzer der Münze war, lietz die Groschen und Pfennige in reinerer Mischung herstellen und nur noch umwechseln, wenn sie durch Abgreifen allzu dünn geworden waren.

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 167

1911 - Erfurt : Keyser
— 167 - Witm nluuroeii 1)01. erfüll, aus dem Friedhoie des Dorfts ' «vtimmcr Reucic jener denkwürdigen Zeit ein ^Ärfn «. «7 v°r ,ür°em enwct.e Inschrift i»««, bnft Met eine Isjährige Salzburgerin begraben lieg«, welch!! durch äle^^^efld«. ©i^ew r Arärffä a. für bat sie au, der Wanderschaft ist, trägt sie ein Rersebundel Ln' dem Rücken Die Käufer links neben ihr stellen die Salzbur- zum Denkmal sei gestellt, daß viel ^alzburger ^ogen typt Im haben Gottes 28ort. • . Empfang in Berlin: In Berlin erfuhren dre Salzburger den herzlichsten Empfang. Die königliche Familie, die feit und die Bürgerschast empsingen den ersten größeren 3^6 feierlicher und gastlicher Weise. Unter den Linden waren ^cüu lancier Tische aufgestellt, an welchen die Einwanderer geipeii wurden. Der König und die Königin gingen dazwischen nmber und sprachen freundlich mit den Leuten. .. Ansiedlung. Den ersten Zügen solgten immer häufiger neue nach. Man hatte mit einer Einwanderung von 2000 Salzburgern gerechnet, es kamen im ganzen aber an 20 000. ^tc wo"ten sich nicht zerstreuen und siedelten sich darum m großer Menge m Preußen und Litauen nebeneinander an. Jeder blieb, was er ge^-wesen, Knecht im Dienste der Herrschaft, Tagelöhner, selbständiger Handwerker oder Bauer. . Der König begnügte sich aber nicht mit der Unterbringung der Salzburger. Er ruhte nicht eher, als bis ste vom Erzbischof den Erlös für ihre verkauften Güter zurückerhalten hatten. ~ » waren nach unserem Gelde etwa 7 Millionen Mark, zu welchen er noch 800 000 Mark Jahresgeld hergab. Im ganzen kostete iy die Ansiedluug 18 Millionen Mark. (Nach versch. Chroniken n. Berichten.) 57. Bei 0raf Sotfer in Itlolsdorf. Ein Bild aus der Rokokozeit.1) Allgemeiner Zustand: „Maßlose Prunkliebe der Großen und grenzenlose Genußsucht ihrer Höfe, wahnwitzige Verachtung i) Rokoko = Stil Ludwigs Xv.; rocaille, frz. —Muschel- u. Grottenwerk; Barock ^ Jesuitenstil; barocco, portug. = schiefrunde, ungleich und ) eit) am geformte Perle.

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 92

1911 - Erfurt : Keyser
— 92 — trüben -lagert wurde es in den engen Gassen und den düsteren Stuben kaum wirklich Tag. Die Menschen verkrochen sich dann mit den notwendigsten Hantierungen in die Herdstube, in der allein eine erträgliche Temperatur herrschte. Dem Meister der Zünfte gestattete der spät beginnende Tag und die früh einfallende Dunkelheit nur wenige Arbeitsstunden. Nur die Gewerke, die beim schein des Herdseuers oder bei der Kiensackel arbeiten konnten, als Schlosser, Schmiede, Böttcher und einige andere, dehnten den Arbeitstag bis zur Feierabendglocke aus. Dazu kamen noch Entbehrungen anderer Art. Die ohnehin schlechten Landwege waren im Winter kaum zu benutzen, und die Zusubr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, wie der Thüringer Wald sie lieferte, konnte naturgemäß nur sehr spärlich sein. Es geschah wohl nicht nur zu Kriegszeiten, wo die Straßen durch feindliche Reiter gesperrt waren, daß die Köhler vom Walde nicht in die Stadt kommen konnten und daß die ganz unentbehrliche Holzkohle sehlte, daß die Bauern nichts zum Markte brachten und der Tisch selbst mit Fleisch nur mühsam versorgt werden konnte. Auch die offenen Brunnen versagten oft im Winter, und die Hausfrauen mußten Eis und Schnee auftauen, um das notwendige Kochwasser zu gewinnen. — So lebten die Menschen dumpf und freudlos in ihren vier Pfählen während der weitaus größten Zeit des Jahres dahin. Sie entbehrten alle die Zerstreuungen, die uns den Winter zu einer Zeit besonderer Vergnügungen machen, und nur an Sonn- und Feiertagen mögen Schnee- und Eisspiele eine dürftige Abwechslung geboten haben. Wer all diese Leiden imt> Entbehrungen sich vorzustellen vermag. der kann auch die maßlose Freude und zugleich die tiefe Innigkeit verstehen, mit der unsere Vorfahren den Frühling begrüßten. Er war ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ein Leben-und Lichtbringer. Er sprengte nicht nur Eisdecken und Knospenhüllen, er sprengte auch Türen und Fenster und trug seinen belebenden Odem durch die Gassen und rief die Menschen aus der Nacht des Winters an den Tag der Freude. Frühlingsfeste entsprachen darum einem aus der Tiefe des Gemüts nach Betätigung drängenden Gefühl. Auch im alten Erfurt wurde ein solches Fest mit großem Glanz und unter Anteilnahme der ganzen Bürgerschaft begangen: der Walperzug (f. Religion der alten Thüringer, Nr. 6). (Nach L. Rohmann it. a.) 32. Erfurter ßandel und ßandelsltrafoen. Soweit sich Erfurts Geschichte zurückverfolgen läßt, hängt sie aufs engste mit Handel und Handelsstraßen zusammen. Erfurt als Markt: Schon der weitsichtige Blick Karls des Großen erkannte die überaus günstige Lage der Stadt. Er be-

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 113

1911 - Erfurt : Keyser
— 113 — ihnen im Jahre 1483 eine direkte Steuer von 5 Gulden auf 100 Gulden auf, also eine sehr drückende Last. Bekanntlich wurde um Erfurt herum viel Wein gebaut, und der Weinbau war neben dem Ban der Körnerfrucht der wichtigste Zweig der Lanbwirtfchaft, daher berichtet uns der Chronist stets, ob das Jahr einen guten ober schlechten Weinertrag gegeben hat. Besonders schlechte Jahre waren 1485, 1488 und 1491, gute hingegen 1490 und 1492, aber im letzteren Jahre der Menge nach wenig. Durch Erntemißwachs war das Jahr 1488 berüchtigt, eine gute Ernte bot jedoch das Jahr 1493, so daß man viel Korn ausführen konnte. Auch den Schutzzoll kannte der Erfurter Rat, welcher fremden Wein und fremdes Bier einzuführen öfters verbot, stets aber solches mit einem hohen Eingangszoll belegte. Der Chronist sagt: „sie nahmen doppelten Geschoß davon." Den Lebensmittelpreisen entsprachen die Arbeitslöhne. Sie waren nicht niedrig, wenn man den damaligen Geldwert in Anschlag bringt. Besonders gut wurde die Arbeit im Wein- berge bezahlt, wenn es bei eintretenbem günstigen Wetter galt, rasch und tüchtig zu arbeiten. So erhielten im Jahre 1490 sogar Kinder 6—8 Groschen täglich in der Weinlese, ein Butten-träger 6—7 Groschen, und die Fuhre wurde bis zu einem Gulden bezahlt. Im Jahre 1496 waren die Arbeitslöhne noch höher: ein Beuger, welcher den verschnittenen Wein an die Pfähle band, d. H. „beugte", erhielt 15 bis 16 Pfennige, ein Weinbeschneider 7 bis 8 Löwengroschen; in der Lesezeit schwankte der Lohn von 13 Pfennigen bis zu 7 Groschen. Als der Lohn im nächsten Jahre noch höher stieg, legte sich der Rat ins Mittel und fetzte als Hochst- lohn 18 Pfennige fest. Wer mehr forderte, wurde in den Stock, d- i. das Gefängnis auf dem Wenigen Markte, gefetzt, der Arbeitsgeber aber, der mehr bezahlte, kam in die Temnitz, das Gefängnis im Rathauskeller. Dabei sah der Rat daraus, daß man nicht zu früh Feierabend machte. Um das zu verhüten, wurden aus obrigkeitlichen Befehl die Stadttore bis 6 Uhr abends geschlossen und kein Weinbergsarbeiter früher hereingelassen, denn, so sagt Stolle, „sie begannen am Morgen spät, ließen es an sich kommen und strengten sich nicht an, hörten auch möglichst frühe auf, nahmen aber gern viel Lohn." — Mit solchen Löhnen kam der Arbeiter gut aus; benn die Kost war billig. Für ein paar Groschen konnte er sich gutes Weißbrot ober Brot aus Gemang-korn kaufen und dazu Fleisch ober Fisch und einen Labetrunk. Viel besser freilich war die besitzenbe Klasse baran. Ihr wuchsen das Brotkorn, die Gerste zum Malz und die Traube auf eigenem Grund und ©oben, aus dem auch ihr Wohnhaus ftanb. Sie schickte ihr Vieh auf die Stabtweibe und wer von ihr einen Biereigenhof sein eigen nannte, braute für den eigenen Bedarf und zum Verkauf. (Dr. R. Thiele u. a.)

8. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 52

1911 - Erfurt : Keyser
— 52 — Handwerk und Innung: Schon früh taten sich die Handwerker mit erzbischöflicher Erlaubnis zu Innungen zusammen. Anfangs war ihre Zahl klein, später aber unterschied man 9 große: Krämer, Bäcker, Löber, Wollweber, Schuhmacher, Schmiede, Wilt-worcher (Kürschner), Fleischhauer, Schneider, und 9 kleine: Weißgerber, Senkler (Schnürbandmacher), Büttner, Schilderer, Hüter, Pergamenter, Färber, Häringer, Reußen (Schuhflicker). — Die Handwerker durften ihre Waren nur auf Bänken und in Gaden und Buden gegen eine bestimmte Abgabe verkaufen. Die Errichtung der Stände ufw. war anfangs das alleinige Recht des Erzbischofs, später teilte er es mit dem Rat. Der besseren Aufsicht wegen lagen die Verkaufsstände derselben Innung beisammen; Fleisch- und Brotbäuke aber gab es in jedem der vier Stadtviertel, um den Einkauf der wichtigsten Nahrungsmittel nicht unnötig zu erschweren. Die gleichen Handwerksbetriebe selbst lagen nicht beisammen, nur wo ein Zusammensein nicht zu umgehen war, wie z. B. bei den Gerbern, die denselben Wassergraben benutzten, wohnten die Meister in derselben Straße oder Gasse (s. Erfurt im 14. Jhrhdl., Nr. 31). Juden: Sie bildeten einen beträchtlichen Teil der Bevölke- rung und lebten nach eigenem Recht unter dem Judenmeister dichtgedrängt in bestimmten Gassen, in der Rathaus- (Judenfchule) und Kreuz gaffe, in der Michaelisstraße bis zur Lehmannsbrücke und in der Marktstraße. Sie mußten dem Erzbischof eine jährliche, veränderliche Abgabe zahlen und dursten keinen bürgerlichen Beruf ausüben; Geldausleihen war fast ihr einziges Geschäft. Als äußeres Erkennungszeichen trugen sie spitze, gelbe Hüte (s. Judenmord usw., Nr. 27). Einteilung der Bürger: Außer den hörigen Knechten und Mägden, den Gesellen, Lehrlingen und Juden hießen alle Bewohner cives — Bürger. Die reichen und vornehmen aber, besonders die ritterlichen Ministerialen und die Kaufleute, wurden burgenses = Vollbürger genannt. Sie bildeten die durch Verwandtschaft geschlossene Sippe der Gesrunden, d. h. Befreundeten, oder der Reichen. Die übrigen Bürger teilten sich in Zünfte und „Viertel". Zu jenen, dem oberen Mittelstände, gehörten die neun großen und die neun kleinen Handwerke, zu diesen, dem niederen Mittelstände, gehörte der Rest der Zünfte und die zunftlosen Leute in den vier Stadtvierteln, z. B. die Ackerbürger. Bürger war jeder 13 Jahr alte, männliche Einwohner, der dem Rate den Bürgereid geschworen, Hausbesitzer war und selbst in der Stadt wohnte. Stadtverwaltung bis zum Aufkommen des Rates: Bis zum Aufkommen des Rates lag die Verwaltung der Stadt in den Händen der mainzischen Beamten. Der Viztum verwahrte das Stadtsiegel und galt als der eigentliche Regent. Ihm zur Seite standen noch der Kämmerer, d. i. der Kassenverwalter des

9. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 67

1911 - Erfurt : Keyser
— 67 — grafen Wilhelm von Meißen, wurde noch eine größere Zahl hergestellt. Im Kampfe gegen die Hufsiten standen 111 Büchsen zur Verfügung. Die kleineren verschossen Bleikugeln, die größeren aber anfangs noch Steinkugeln von bedeutendem Umfang und Gewicht. Gleichzeitig fanden auch die Handfeuerwaffen Eingang. Sie waren aber zu plump und schwer und konnten darum nur langsam gegen die Armbrust aufkommen. Bürgerwehr und Söldner: Zur Verteidigung der Stadt waren alle waffenfähigen Bürger verpflichtet, während zum Dienste im Felde nur Freiwillige aus der Bürgerschast ausgeboten wurden. Außerdem warb die Stadt je nach Bedürsnis noch eine größere oder geringere Zahl Söldner an. Es waren schwer gerüstete, mit Lanze und Schwert kämpfende Reiter, meist von einem Knecht begleitet. Dazu kamen berittene Armbrustschützen, die das Gefecht einleiteten. Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts wurden auch Fußknechte aufgenommen, die geschickt im Gebrauch der Waffen waren. Um aber den vielen Verdrießlichkeiten, die bei der Ablöhnung entstanden, aus dem Wege zu gehen, schloß der Rat auch Verträge mit Fürsten und Herren ab. Diese verpflichteten sich, der Stadt gegen eine bestimmte Summe im Kriegsfälle mit einer festgesetzten Zahl von Gleven, worunter ein Ritter mit einem oder zwei Knechten verstanden wurde, zu Hilfe zu kommen. Für den täglichen Dienst bedurfte die Stadt stets einer Abteilung Söldner, die Einspännige hießen und etwa die Geschäfte unserer Gensdarmen zu verrichten halten. Verteidigungsplan: Bezüglich der Verteidigung der Stadt durch die Bürger war genau bestimmt, wohin sich jeder beim ersten Anschlag der Sturmglocken aus dem Allerheiligen-, Nikolai-, Wigberti- und Kaufmännerturm zu begeben hatte. Es war kein Unterschied zwischen Feuer- und Kriegslärm, da die meisten Angriffe durch einen Brand eingeleitet wurden. Sobald die Sturmzeichen ertönten, rüstete sich ein jeder so, wie es die Feuerordnung vorschrieb. Die Handwerker ergriffen ihre Ledereimer, Leitern, Haken und Schöpsstützeu und eilten zum Teil nach dem Brandplatze, wenn wirklich ein Feuer ausgebrochen war, zum andern Teil nach dem Fischmarkt, wo auch die Einspännigen sich einstellten. Der Rat aber verfügte sich, es mochte Tag oder Nacht sein, auss Rathaus, um von dort seine Befehle zu erlassen. Die Armbrust- und Büchsenschützen gingen ohne weiteres nach den Toren und aus die Türme und nahmen hier die ihnen angewiesenen Posten ein. Die übrigen bewaffneten Bürger sammelten sich auf dem Andreas-, Viti- und Kaufmännerkirchhof und vor den Graden, d. h. in ihren Vierteln1). Nach der Musterung durch ihre Hauptleute aus dem Rat erwarteten sie weitere Befehle. War ein Angriff zu befürchten, dann rückten diese Abteilungen auf Grund der *) St. Andrea — St. Viti — St. Johannis — St. Mariä. 5'

10. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 90

1911 - Erfurt : Keyser
— 90 — beutung für die verfchiebenen Hantierungen bet Bürger und ihren Wert bei der Bekämpfung vou Bränben behalten. Aber selbst ba, wo die Klingen fehlten ober wo sie nur einen Teil bei Gasse einnahmen, war bei Verkehr keine Annehmlichkeit. Im Anfang des vieizehnten Jahihuubeits waien wohl nni die „Straße" und die voinehme Fntteieigafse gepflastert, ba sich über die heutige Marktstraße, die Krämerbrücke und die Futterstraße der Hauptverkehr jener Zeit durch die Stadt bewegte. Alle anbe-ren Gassen und Straßen waren ungepflastert, und es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was Regentage und Tauweiter aus ihnen machen mußten. Dann halsen noch die Lebensgewohnheiten unserer Vorväter dazu, aus den grundlosen Gassen einen stinkenben Morast zu machen. Die Bürger streuten nämlich Stroh vor das Haus, um den aus dem Verkehr sich ergebenben Dung bequemer einsammeln zu können. In dieser Hinsicht scheint es in der Gegenb um den Wenigen Markt wenig einlabenb ausgesehen zu haben, benn sie trug den bezeichneten Namen „Ans beut Mist" (der sübliche Teil der Gottharbtstraße). Frauen und Mägbe entleerten mit größter Selbstverstänblichkeit Gesäße aller Art und jebes Inhalts auf die Gasse, und es mag geschehen sein, daß gar manchem das Sonntagswams durch solch ein 93ab verbothen würde. Später freilich schritt der Rat bagegen ein. Doch vermochte er wenig gegen den alten Brauch, der wie ein gutes Recht ange- sehen und geübt würde, zu tun. Auf die schmalen Gassen brängte sich auch das Hanbwerk, das in den engen und bunflen Häusern nicht Raum und Licht genug zur Arbeit sctnb. Im Burgsrieben seines Hauses, unter welchem der Bürger auch den aus sein Haus entsallenben Teil der Gasse verstaub, war er Herr. Die Gasse gehörte ihm, und die andern mußten sich gefallen lassen, was jeber an seinem Teile aus ihr machte. Bot sie irgenb Raum, dann stellten die Biereigen, die allein das Erfurter Dickbier, „die Schlunze", brauen bürsten, uni) bereu es eine Menge gab, ihre Braubottiche unter freiem Himmel auf. Auch die Schlosser, Schuster und Schneiber und die Lober (Lohgerber) mit ihrem wenig appetitlichen Gewerbe ge- brauchten die Gasse als Werkstatt. Damals mußten die Fußgänger, wenn sie die Gaffen burch-schritten, nicht nur auf den Schmutz, fonbern vor allem auf die zahllosen Hinbernifse achten, die sich ihnen entgegenstellten. Sie mußten es sich gefallen lassen, daß die Schweine, bereu Aufzucht die Bäcker mit befonberem Fleiß ausübten — die Bäckerwohnungen waren an dem scharfen Gestank schon von weithin kenntlich —, sie angrunzten, daß mutwillige Ferkel ihnen zwischen die Beine liefen ober daß sich ein wiitenber Gänserich mit seiner schnattern-ben Schar ihnen in den Weg stellte. Man hatte sich über bte Hunbe zu ärgern, bereu es unenbltch viele gab. Auch konnte es geschehen, daß man sich ernsthaft gegen einen ausgekommenen
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